Thomas:
Nun stehen wir vor der reformierten Kirche. Sie sieht von außen nicht wie ein Gotteshaus aus, finde ich. Und tatsächlich: Hier wurden schon im 19. Jahrhundert nicht nur Gottesdienste gefeiert. Die Kirche war auch ein beliebter Versammlungsort. Viele öffentliche Sitzungen der Bürgerschaft, also des Stadtrates, wurden hier abgehalten.
Im Revolutionsjahr 1848 war es in Lübeck ruhig geblieben, obwohl in ganz Deutschland die Mächtigen gestürzt wurden. Das lag daran, dass man in Lübeck mit der Vorbereitung einer neuen, modernen Verfassung schon recht weit vorangekommen war. Dann kam es am 9. Oktober 1848 vor dieser Kirche zu einem Aufstand aufgebrachter Lübecker. Die Bürgerschaft, die sich in der Kirche versammelt hatte, wollte das allgemeine und gleiche Wahlrecht für alle Bürger einführen. Die Demonstranten forderten, dass alles beim Alten bleiben solle – dass also das Wahlrecht weiterhin vom Einkommen und der Klasse abhängt. Diese aufgebrachte Meute inspirierte Thomas Mann zur Beschreibung der „Revolutschon“ in Lübeck, auch wenn die ganz anders verlief...
Tony:
Immer und immer wieder erzählte mir unser Freund Siegismund Gosch die Geschichte von dem Aufstand, bei dem auch manche unserer Arbeiter dabei waren. Ich konnte nicht oft genug hören, wie Papa für Ruhe und Ordnung gesorgt hat!
Im Roman steht: „‚Smolt, wat wull Ji nu eentlich! Nu seggen Sei dat mal!‘ ‚Je, Herr Kunsel, ick seg man bloß: wie wull nu ’ne Republike, seg ick man bloß...‘ ‚Öwer du Döskopp... Ji heww ja schon een!‘ ‚Je, Herr Kunsel, denn wull wi noch een.‘ Einige der Umstehenden, die es besser wußten, begannen schwerfällig und herzlich zu lachen, und obgleich die Wenigsten die Antwort Corl Smolts verstanden hatten, pflanzte diese Heiterkeit sich fort, bis die ganze Menge der Republikaner in breitem und gutmütigem Gelächter stand. […] ‚Na Lüd‘, sagte schließlich Konsul Buddenbrook, ‚ick glöw, dat is nu dat Beste, wenn ihr Alle naa Hus gaht!‘ Corl Smolt, gänzlich verdutzt über die Wirkung, die er hervorgebracht, antwortete: ‚Je, Herr Kunsel, dat is nu so, un denn möht man de Saak je woll up sick beruhn laten, un ick bün je ook man froh, dat Herr Kunsel mi dat nich öwelnehmen daut, un adjüs denn ook, Herr Kunsel...‘ Die Menge fing an, sich in der allerbesten Laune zu zerstreuen.“
Da hat Papa dem guten Smolt schnell den Wind aus den Segeln genommen. Dabei wollte Smolt eine ganz andere Republik, mit gleichen Rechten für alle!
Christian:
Hast du irgendwas von dem Gespräch verstanden? Plattdeutsch ist ja schon sehr speziell, aber gehört zum Leben in Lübeck nun mal dazu. Du hättest mal meinen Vater hören sollen…Ich zumindest spreche Plattdeutsch und auch Englisch, Spanisch und Hamburgisch. Also wie sieht es mit dir aus? Schnackst du Platt? Verstehst du „Platt“?
Reformierte Kirche
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