Thomas:
Nun stehen wir vor dem Stadttheater. Ich hatte selten Zeit dafür, obwohl es direkt in der Nachbarschaft liegt. Diese Phantasiewelt, diese Empfindsamkeit... Als Kaufmann geht es darum, Haltung zu bewahren – nicht um Empfindungen und Gefühle! Härte zufügen, Härte erleiden und es nicht als Härte, sondern als etwas Selbstverständliches empfinden. Wenigstens einer musste sich schließlich ums Geschäft kümmern, wenn Christian sich die ganze Zeit herumtrieb.
Tony:
Ja, Krischan war sehr gern im Theater. Dass er aber auch immer in allem übertreiben musste!
Darum geht es auch öfter im Roman „Buddenbrooks“: „Bei Tische erkundigte er (also Christian) sich nach dem Stadttheater... ob eine gute Truppe dort sei, was gespielt werde... ‚Ich weiß nicht‘, sagte Tom mit einer Betonung, die übertrieben gleichgültig war, um nicht ungeduldig zu sein. ‚Ich kümmere mich jetzt nicht darum.‘ Christian aber überhörte dies völlig und fing an, vom Theater zu sprechen... ‚Ich kann gar nicht sagen, wie gern ich im Theater bin! Schon das Wort ‚Theater‘ macht mich geradezu glücklich... Ich weiß nicht, ob jemand von euch dies Gefühl kennt? Ich könnte stundenlang stillsitzen und den geschlossenen Vorhang ansehen... Dabei freue ich mich wie als Kind, wenn wir hier herein zur Weihnachtsbescherung gingen… Schon das Stimmen der Orchesterinstrumente! Ich würde ins Theater gehen, nur um das zu hören! ... Besonders gern habe ich die Liebesszenen... Einige Liebhaberinnen verstehen es, den Kopf des Liebhabers so zwischen beide Hände zu nehmen... Überhaupt die Schauspieler... ich habe in London und auch in Valparaiso viel mit Schauspielern verkehrt. Zu Anfang war ich wahrhaftig stolz, mit ihnen so im ganz gewöhnlichen Leben sprechen zu können. Im Theater achte ich auf jede ihrer Bewegungen... das ist sehr interessant! Einer sagt sein letztes Wort, dreht sich in aller Ruhe um und geht ganz langsam und sicher und ohne Verlegenheit zur Tür, obgleich er weiß, dass die Augen des ganzen Theaters auf seinem Rücken liegen... wie man das kann! ... Früher habe ich mich fortwährend gesehnt, einmal hinter die Kulissen zu kommen – ja, jetzt bin ich da ziemlich zu Hause, das kann ich sagen. Stellt euch vor... in einem Operetten-Theater – es war in London – ging eines Abends der Vorhang auf, als ich noch auf der Bühne stand... Ich unterhielt mich mit Miß Watercloose... einem Fräulein Watercloose... ein sehr hübsches Mädchen! Genug! Plötzlich öffnet sich der Zuschauerraum... mein Gott, ich weiß nicht, wie ich von der Bühne heruntergekommen bin!‘“
Christian:
Ja, ja, das war ein Abend… Halb London sprach von mir. Das war früher in Lübeck auch schon manchmal so: Damals, ich war 14 und schwärmte für Fräulein Meyer-de la Grange, eine wunderbare Schauspielerin hier. Ich kaufte also spontan und verliebt ein Bouquet an Blumen in der Pause des Stücks, marschierte dann den Weg zum Bühnenraum, stieß auf das Fräulein und überreichte ihr die Blumen. „Fräulein, wie schön haben Sie gespielt!“, meinte ich und sie war herzallerliebst. Aber ein Kollege meines Vaters, Konsul Döhlmann, erzählte es in der ganzen Stadt herum und das gab Ärger, kann ich dir sagen!
Mindestens genauso sehr liebt mein kleiner Neffe Hanno das Theater. Aber manchmal muss man eben auch vernünftig sein. Ich sagte zu ihm: „Hör’ mal, Kind, lass dir raten, hänge deine Gedanken nur nicht zu sehr an solche Sachen… Theater… und sowas… Das taugt nichts, glaube deinem Onkel. Ich habe mich auch immer viel zu sehr für diese Dinge interessiert, und darum ist auch nicht viel aus mir geworden.“
Aber was soll man machen? Der Junge liebt nun mal seine Opern. Diese hier war seine erste und er wollte sie unbedingt nachspielen. Wie hieß sie noch gleich…?
Stadttheater
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